Schlagwort: Mangelwirtschaft

  • Boom, Blockade, Belastung: Wie Frankfurts Wohnungsknappheit Mieter belastet.

    von Carsten Prueser

    Frankfurt am Main erlebt seit Jahren einen zunehmend angespannten Mietwohnungsmarkt. Die Nachfrage wächst kräftig – befeuert durch eine expandierende Finanz- und Dienstleistungswirtschaft, steigende Studierendenzahlen und anhaltende Zuwanderung – während das Angebot nicht Schritt hält, weil Bauflächen rar sind, Genehmigungen lange dauern und etliche Projekte im hochpreisigen Segment landen.

    Quelle: Mieterbund/Statistisches Bundesamt

    Große Quartiersentwicklungen scheitern zudem immer wieder am Widerstand wohlhabender Speckgürtel-Kommunen, die unter dem Etikett „ökologischer Verträglichkeit“ verhindern wollen, dass das ach so  schreckliche Frankfurt vor ihrer Haustür im Vordertaunus weiterwächst, obwohl sie dessen Infrastruktur gern kostenlos nutzen. Ähnlich verhält es sich mit den Wohnungseigentümern im Nordend, wo man sich nicht mit Zuzüglern um die knappen Parkplätze fürs Elektro-Auto streiten möchte, und daher innerstädtische Artenvielfalt von Kleinstlebewesen größeres Gewicht einräumt als Wohnraum für Zuwanderer, die man ansonsten gern wiLLkommen heisst. Sollen die doch nach Offenbach gehen. 

    Der resultierende Nachfrageüberhang verschiebt die Machtverhältnisse klar zugunsten der Vermieter. Für private Eigentümer sinkt der Anreiz, Wartungsarbeiten zügig auszuführen oder in den Bestand zu investieren; Mieter nehmen Mängel oft hin, um ihre Wohnung nicht zu verlieren. Die durchschnittliche Mietbelastungsquote ist in der Mainmetropole laut Studien inzwischen auf gut 42 Prozent gestiegen – einer der höchsten Werte unter deutschen Großstädten. Steigende Wohnkosten schränken Konsum- und Rücklagenspielräume ein, erzeugen psychischen Druck und treiben Haushalte mit mittleren Einkommen verstärkt ins Umland, was längere Pendelwege und höhere Verkehrsbelastungen nach sich zieht.

    In dieses Spannungsfeld ist die stadteigene ABG Frankfurt Holding eingebettet. Mit mehr als 54 000 Wohnungen und rund 37 000 weiteren Mietobjekten ist sie der weitaus größte Vermieter der Stadt. Vier von zehn ihrer Wohnungen sind mietpreis- oder belegungsgebunden; dennoch erwirtschaftete der Konzern 2023 einen Überschuss von rund 83 Millionen Euro. Kritiker, darunter Stadtverordnete aller Fraktionen, verweisen auf einen wachsenden Zielkonflikt zwischen Gemeinwohlauftrag und Renditeorientierung: Einerseits verlangt die ABG im Marktdurchschnitt günstigere Mieten, andererseits profitiert sie vom Daueransturm, der praktisch Vollvermietung garantiert und Serviceversäumnisse begünstigt. Klagen über unzureichende Erreichbarkeit, verspätete Reparaturen und eine „Technokratie der Service-Apps“ nahmen 2024 spürbar zu und führten im Frühjahr 2025 zu deutlicher Kritik im Stadtparlament.

    Gleichzeitig soll die ABG einen gewichtigen Beitrag zur Entschärfung des Wohnraummangels leisten. Laut Geschäftsbericht plant sie bis 2030 rund 4 500 zusätzliche Wohnungen, viele davon als Passiv- oder Niedrigenergiehäuser. Tatsächlich wurden allein in den vergangenen Wochen knapp 700 neue Einheiten übergeben, doch der Nachfragesog frisst solche Fortschritte sofort wieder auf. Wo die Gesellschaft über städtische Grundstücke verfügt, stocken Projekte häufig, weil Nachbarkommunen das Planungsrecht blockieren oder sich Anwohnerinitiativen gegen Verdichtung formieren.

    Der Nachfrageüberhang wirkt sich damit doppelt auf die ABG aus: Er sichert hohe Auslastung und stabile Ergebnisse, mindert aber den Druck, Serviceprozesse konsequent zu modernisieren, und erschwert die politische Steuerung ihres gemeinwohlorientierten Auftrags. Will die Stadt das Ziel eines sozial ausgewogenen Wohnungsmarkts erreichen, muss sie ihr Tochterunternehmen stärker in die Pflicht nehmen – etwa durch verbindliche Service-Benchmarks und transparentes Beschwerdemanagement – und zugleich den interkommunalen Widerstand gegen Neubauvorhaben offensiver adressieren. Denn solange zusätzliche Flächen blockiert bleiben, wird auch die ABG trotz ambitionierter Baupläne keine spürbare Entlastung herbeiführen können, und die Lebensqualität vieler Frankfurterinnen und Frankfurter bleibt von einer Mischung aus finanzieller Anspannung und Unsicherheit geprägt.