Schlagwort: Mieterrecht

  • Grundrechte schwarz auf weiß: Initiative legt brisantes Gutachten zur ABG vor

    von Christian Hirschfeld

    Frankfurt – Die Mieter‑Initiative „ABG besser machen!“ hat heute ein Rechtsgutachten präsentiert, das der stadteigenen ABG Frankfurt Holding eine uneingeschränkte Bindung an die Grundrechte attestiert – und ihr damit weitreichende Pflichten auferlegt. Kern des Papiers: Weil die ABG zu hundert Prozent der Stadt Frankfurt gehört und „genuin öffentliche Aufgaben“ wahrnimmt, gelte für sie dieselbe Grundrechtsbindung wie für jede Behörde. Das Gutachten stützt sich vor allem auf die höchstrichterlichen Entscheidungen zu Fraport und WOBAK und trägt das Datum 15. Mai 2025.

    ABG Geschäftsführer Junker bei der Entgegennahme von Unterlagen. Foto: ABG

    Vier zentrale Sollbruchstellen

    Die Autorinnen des Gutachtens machen deutlich, dass die Grundrechtsbindung der ABG künftig an mehreren neuralgischen Punkten besonders deutlich wird. So dürfen etwa Mietvertragsklauseln – etwa zur Sanierung oder Mietsteigerungen – nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie für die Mieterinnen und Mieter nachvollziehbar, verhältnismäßig und sachlich begründet sind. Auch bei der Nutzung und Gestaltung von Gemeinschaftsflächen – etwa durch Sperrungen, Videoüberwachung oder Sondernutzung – sei größte Zurückhaltung geboten, da hier Grundrechte unmittelbar berührt werden. Besonderes Augenmerk gilt dem Thema Gleichbehandlung und Barrierefreiheit: Die ABG ist verpflichtet, behinderungsbedingte Nutzungsbedarfe proaktiv zu ermöglichen, von rollstuhlgerechten Zugängen bis hin zu Rückzugsräumen für neurodivergente Mieter:innen. Pauschale Ablehnungen sind demnach unzulässig; es braucht eine individuelle und sensible Einzelfallprüfung. Derzeit verfügt die ABG nicht einmal über eine Ansprechperson für Mieterinnen und Mieter mit Behinderungen. Schließlich fordert das Gutachten eine strukturell verankerte Mitbestimmung: Ein demokratisch legitimierter Mieterbeirat müsse künftig in alle wesentlichen Entscheidungen eingebunden werden.

    Stadt in der Pflicht

    Besonders pikant: Das Gutachten sieht nicht nur die Wohnungs­gesellschaft selbst in der Verantwortung, sondern auch die Stadt Frankfurt und deren Baustadtrat. Die Kommune müsse per Gesellschafterweisung sicherstellen, dass Satzung, Aufsichtsgremien und Finanzen auf die Grundrechtsvorgaben ausgerichtet werden – andernfalls drohe ein „strukturelles Verfassungsdefizit“.

    Altbekannte Baustellen – jetzt verfassungsrechtlich unterfüttert

    Damit verleiht das Papier alten Konflikten neuen Nachdruck. Schon 2024 berichteten sowohl die Frankfurter Rundschau und auch die FNP über den langanhaltenden Gastro‑Skandal im Hochkulturensemble Goethehöfe; damals vermietete die ABG Räume und Flächen ohne gültige Genehmigung an einen so gar nicht zu den etablierten Kulturorten passenden Nachtclubbetreiber. Schon der Name des Etablissements – „DONT FUCK GOETHE“ zeigte auf, wie stümperhaft hier vorgegangen wurde. Auch die Debatten um diverse Compliance Verstöße und die 32‑jährige Amtszeit von Vorstandschef Frank Junker sorgten zuletzt immer wieder für Schlagzeilen. Und führten zu intensiven Diskussionen in der Stadtpolitik. Zuletzt in einer Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung, in der Baustadtrat Marcus Gwechenberger (SPD) unangenehme Fragen beantworten musste. Nun ordnet die Initiative all das unter einem größeren Dach ein: mögliche Grundrechtsverstöße.

    Reaktionen

    • Initiative „ABG besser machen!“ – Sprecher Martin Schwendtler nennt das Gutachten einen „Game‑Changer“: „Spätestens jetzt kann sich niemand mehr hinter der GmbH‑Fassade verstecken. Grundrechte enden nicht an der Haustür.“
    • ABG Frankfurt Holding – Die Gesellschaft hat sich bisher nicht geäussert.
    • Römer‑Koalition – Zum Gutachten haben sich die Regierungs-Franktionen bisher nicht geäußert. Die „ABG besser machen!“ berichtet aber über konstruktive, aber vertrauliche Gespräche und Kontakte mit mehreren Fraktionen. Martin Schwendtler: „Wir bekommen hier sehr positive Rückmeldungen.“

    Wie es weitergeht

    Juristisch ist das Papier kein Urteil, politisch jedoch ein Fanal. Die Initiative will das Gutachten in den kommenden Wochen in Ortsbeiräten vorstellen und strebt eine Magistratsvorlage an, die den Mieterbeirat rechtlich verankert. Mehrere Mieter haben bereits angekündigt, Klauseln aus ihren Verträgen mit Verweis auf das Gutachten gerichtlich prüfen zu lassen.

    Sollte die Stadt untätig bleiben, droht das nächste Kapitel im Dauerkonflikt um Frankfurts größte Wohnungsgesellschaft – diesmal mit der Verfassung als maßgeblichem Bezugspunkt.

    (Transparenzhinweis: Mitarbeiter der FN sind bei „ABG besser machen!“ engagiert.)