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  • Zwischen Stadtbild und Selbstbild

    Zwischen Stadtbild und Selbstbild

    Der Kanzler hat ein Wort benutzt, das in der Republik nachhallt: „Stadtbild“. Gemeint war Migration, gesagt war Ästhetik. Die Reaktionen fielen vorhersehbar aus – Empörung auf der einen Seite, Relativierung auf der anderen. Und wieder einmal steht das Land nicht vor einer Debatte, sondern in einer Pose.

    Bundeskanzler Friedrich Merz in Pose mit ukrainischem Migranten.
    Foto:Jesco Denzel für die Bundesregierung

    In Frankfurt rufen die Grünen nun zur Demonstration gegen Merz auf. Das Motto: „Ich bin (auch) ein Problem im Stadtbild!“ – charmant, ironisch, aber letztlich folgenlos. Denn wer sich nur über das Wort empört, übersieht, dass dahinter eine reale Erfahrung vieler Menschen steht: das Gefühl, dass sich etwas verändert – zu schnell, zu unverständlich, zu sichtbar.

    Man kann das Ressentiment nennen, oder auch: soziale Unsicherheit. Politik aber, die Veränderung nur moralisch verteidigt, statt sie sozial zu gestalten, verliert jene, die damit leben müssen. Das zeigen die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen auf drastische Weise: Die Grünen verloren dort fast ein Drittel ihrer Stimmen, die SPD büßte ebenfalls deutlich ein – und die AfD verdreifachte sich. Es war ein Misstrauensvotum gegen eine Politik, die Migration als moralische Chiffre behandelt, nicht als soziale Aufgabe.

    Wer Politik für Menschen machen will, muss das Benennen und den Willen haben, Migration im Interesse aller sinnvoll und richtig zu steuern.

    Grundsätzlich ist Migration kein Problem, sondern eine Realität. Aber die bis heute weitgehend ungesteuerte und unregulierte Zuwanderung nach Deutschland in den letzten zehn Jahren bringt neben vielen Vorteilen auch Probleme mit sich: Kriminalität, Segregation, Sprachbarrieren, Überforderung der Institutionen, Wertedifferenzen, offener Antisemitismus und Ablehnung unserer staatlichen Ordnung. Wer sie leugnet, überlässt sie jenen, die sie instrumentalisieren. Politik muss das Ambivalente aushalten: Migration ist Bereicherung und Herausforderung zugleich.

    Frankfurt weiß das besser als jede andere Stadt. Wer durch Bahnhofsviertel und Bankenviertel geht, sieht beides: Weltoffenheit und soziale Spaltung, Toleranz und Ohnmacht. Ein „Stadtbild“, das viel erzählt – wenn man hinsieht.

    Vielleicht wäre es klüger, weniger über Wörter zu demonstrieren als über Wirklichkeiten zu sprechen.

    (Hinweis: Nachträglich Differenzierung zwischen Migrations grundsätzlich & konkret hier und heute eingearbeitet. CP)