Kuponkönige, Kronentouristen und ein verkaufter Affront

von Carsten Prueser

Warum der Hohenzollern-Deal die Republik verhöhnt

In einer Republik, die sich gern auf ihr antifaschistisches Gründungsversprechen beruft, wirkt der Kompromiss vom 12. Mai 2025 wie eine plötzliche Amnesie‑Attacke im kollektiven Gedächtnis. Während draußen vor den Museen Schulklassen Schlange stehen, um Preußens Glanz und Gloria zu bestaunen, verhandelte drinnen ein aussterbender Sozialdemokrat im Kanzleramt mit den Erben jenes Hauses, das Kriege, Kolonialverbrechen und – spätestens in Gestalt des notorischen Kronprinzen Wilhelm – aktive Nazi‑Hoffnungen großzügig befeuerte. Dass Olaf Scholz, der vielleicht letzte rote Hausherr dieser Republik, seine letzten Amtswochen damit zubrachte, den Weg für diesen „Vergleich“ freizuboxen, setzt der Tragikomödie eine verstörend ironische Krone auf.

Glücklich über das Hitler-Kabinett: Prinz Wilhelm von Hohenzollern

Ein fauler Frieden – die Mechanik des Deals

  • Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz: Allein die elegante Etikette kann nicht verbergen, dass hier Staatsvermögen mit Adelsgier versöhnt wurde. Rund 10 000 bis 27 000 Objekte – von Cranachs Tafelbildern bis zu Frackknöpfen maroder Kaiser – wandern in eine neue Stiftung, deren Kuratorium zwei Drittel öffentlich besetzt ist, während die Hohenzollern drei Sitze und damit Vetorechte kassieren.
  • Rechtsfrieden gegen Rechte: Im Gegenzug zieht Georg Friedrich Prinz von Preußen alle anhängigen Klagen zurück und verspricht, keine weiteren Entschädigungen mehr zu fordern. Das kostet ihn exakt: nichts. Die Republik erspart sich Prozessrisiken – und bezahlt mit ihrer Würde.
  • Leihgaben bleiben Leihgaben: Einige der legendären Schnupftabakdosen (sieben an der Zahl) verbleiben als „Dauerleihgaben“ in den Museen; fünf darf der Clan jederzeit zurückfordern – feiner Unterschied zwischen Eigentum und Dekoration.

Legitimation? Ein rhetorisches Perpetuum mobile

Die Hohenzollern berufen sich auf dieselbe demokratische Werteordnung, die ihre Vorfahren mit Blut und Eisen verhöhnt haben. Sie behaupten „Kontinuität des Familienbesitzes“ – ein hübscher Euphemismus für Beutegut aus feudaler Ausbeutung, preußischem Militarismus und blanker Kollaboration mit dem braunen Terror. Die Republik hingegen tut so, als handele es sich um bloß „strittige Kunstgegenstände“, nicht um historisch verfestigtes Unrecht.

Der sozialdemokratische Kotau

Dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat – und nicht etwa ein Nostalgiker aus monarchistischer Folklore – diesen Kotau vollzieht, ist politischer Selbstverrat in Reinform. Die SPD wurde einst gegründet, um Junker und Kuponschneiderdas Fürchten zu lehren; ihr letzter Kanzler rettet ihnen nun die Rendite ihrer Plünderzüge. Man verhandelt Diskriminierung nicht – man beseitigt sie.

Der Adelstitel als Designer‑Accessoire

Bleibt das Privileg der Namensdekoration: Das präfixhafte „von“ wirkt heute wie ein gefettetes Placebo, das die ahnungslose Öffentlichkeit über die Nichtexistenz erblich sanktionierter Rangordnungen hinweg­täuscht. Darauf hereinzufallen heißt, den schimmernden Puder der Hierarchie auf eine Gesellschaft zu streuen, die Leistungsgerechtigkeit predigt, aber vor dem Stammbaum niederkniet.

Resümee – Historische Verantwortung oder historischer Ausverkauf?

Der Deal ist kein Akt der Versöhnung, sondern eine kapitulative Geste gegenüber dekadenter Nostalgie. Er konserviert feudale Besitzansprüche unter dem Glassturz gemeinnütziger Rhetorik und stellt den Coup noch als kulturpolitischen Geniestreich aus. So feiert die Republik ihren eigenen Etikettenschwindel: Rechtsfrieden statt Gerechtigkeit, Schaufenster‑Demokratie statt moralischer Klarheit.

Die Untertanen von gestern zahlen heute die Zinsen – still, brav und kulturbeflissen. Man könnte es als Lehrstück in bundesrepublikanischer Konfliktvermeidung betrachten. Oder man nennt es beim Namen: ein Schlag ins Gesicht jener demokratischen Tradition, die 1918 versäumte, den Adel zu enteignen, und 2025 nicht einmal mehr laut „Es reicht!“ zu rufen wagt.

Denn die Geschichte urteilt nicht milde über jene, die ihre Lektionen vergessen. Sie notiert jeden Kotau mit spitzer Feder – und hat ein langes Gedächtnis.

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