von Carsten Prueser
Manchmal verraten sich Institutionen weniger durch das, was sie lehren, als durch das, was sie sich nennen. Seit 2007 firmiert die frühere Bankakademie als Frankfurt School of Finance & Management – eine private Hochschule, die in glänzendem Glas ihre Zukunftversprechen an der Adickesallee stapelt. Allein schon das Schild am Eingang provoziert ein unwillkürliches Stirnrunzeln: Frankfurt School? War da nicht etwas mit Horkheimer, Adorno und der Kritik der instrumentellen Vernunft? Tatsächlich ist „Frankfurter Schule“ seit fast einem Jahrhundert die Chiffre für eine Tradition, die Ökonomie, Kultur und Machtverhältnisse schonungslos seziert hat – und gerade vor der Verwandlung von Bildung in Ware warnte. 
Halbbildung als Corporate Design
Der Namenklau wirkt wie eine Selbstentlarvung. Adorno fasste Halbbildung einst als Mischung aus technischem Können und geistiger Provinz zusammen. Genau diese Halbbildung wird hier zum Corporate Design: Ökonomie wird auf Kalkül, Management auf Kennzahl, der Mensch auf „Human Capital“ reduziert. Wer seine Prunkfassade mit dem Signet School krönt, kommuniziert Weltoffenheit; wer dabei verschweigt, dass das Original jenes Namens die Marktlogik gerade nicht vergöttert, sondern kritisiert hat, bekennt ungewollt eine bemerkenswerte Bildungslücke. Halbbildung stößt mit Sekkelchen an und bleibt doch Halbbildung.
Instrumentelle Vernunft – jetzt im Studiegebührentarif
Die Kritische Theorie diagnostizierte, dass Vernunft in der Moderne zur bloßen Nützlichkeitratio schrumpft – zur Rationalität der Maschine, die nur noch nach Ertrag fragt. Diese „instrumentelle Vernunft“ findet in den Hörsälen der neuen Frankfurt School ein Zuhause, wenn Effizienzsteigerung und „Return on Education“ zum Leitfaden erklärt werden. Die Dehumanisierung folgt systemimmanent: Wer Lernende als „Investoren in ihr eigenes Humankapital“ anspricht, beraubt sie des Rechtes auf Bildung als Selbszweck. Entmenschlichung beginnt nicht erst im Sweatshop, sondern in der Sprache der PowerPoint-Folie. 
Kapitalismus in Hochglanz – Kritik in Klammern
Natürlich darf eine Hochschule betriebwirtschaftliche Exzellenz anstreben. Nur grenzt es ans Absurde, dafür ausgerechnet den Namen jener Denkschule zu borgen, die den Kapitalismus als Totalität analysierte, in der alles – auch das Denken – zur Ware wird. Die Dialektik ist perfekt: Indem die Business School das Etikett „Frankfurt School“ monetarisiert, führt sie den theoretischen Befund ihrer Namenpatin vor. Wo früher dialektische Aufklärung stand, steht heute der Master in Finance; wo Emanzipation gedacht wurde, wird ECTS-Punkte-Optimierung kalkuliert. Die Selbsbeschreibung verrät genau das, was sie vertuschen will: Man verkauft den Schein kritischer Tiefe, um die Tiefe der Kritik zu neutralisieren. 
Die Ökonomie des Rufes
Namensrechte sind ein Kapital. Der äußere Klang „Frankfurt School“ sichert sofortige Google-Resonanz, international klingende Seriosität, Ranking-Fortune. Wer den diskursiven Ruhm der Kritischen Theorie ausschlachtet, erhält nicht nur einen Marketing-Coup; er delegitimiert zugleich die historische Bedeutung jener Theorie. Das ist Markestrategie im Zeitalter der Aufmerksamkeit: Bedeutungen werden nicht geschaffen, sondern ge-re-labeled. Der intellektuelle Mehrwert wird extrahiert wie Rohöl, raffiniert zu Image und an die nächste Bewerbekohorte verkauft – zu Semestegebühren von derzeit knapp 8 000 Euro. 
Entmenschlichung im Curriculum vitae
Adorno warnte vor der „Kulturindustrie“, die Menschen zu Konsueinheiten forme. Die Business School perfektioniert diese Logik, indem sie die Studierenden selbst zu Produkten ihres CVs macht. Soft-Skills-Labs, Leadership-Tracks, Networking-Events – alles Bausteine des vermarktbaren Selbst. Entmenschlichung im Zeitalter des Selbst-Unternehmers ist nicht mehr Zwang, sondern Pflichtselbstoptimierung. Die Hochschule liefert das Werkzeug, die Studierenden liefern die SelbstVerwertung. „Eigenkapitalrendite“ heißt hier „Employability“. 
Was bleibt? Ein offener Widerspruch
Bleibt die Frage, warum eine Institution, die stolz den Geist des Marktes atmet, nicht auch den Mut hat, sich entsprechend zu benennen – etwa „Frankfurt Business Academy“. Die Antwort ist so banal wie entlarvend: Weil Kapitalismus längst kapiert hat, dass kultureller Mehrwert profitabler ist als nackte Nützlichkeit. Der Name „Frankfurt School“ ist eine Gratisdividende an symbolischem Kapital. So zeigt gerade der Etiketteschwindel, wie recht die alte Frankfurter Schule hatte: Selbst der kritische Geist wird kommodifiziert, sobald er Rendite verspricht.
Und doch liefert die Frankfurt School damit unbeabsichtigt ein perfektes Lehrstück – nicht über Finance, sondern über Ideologiekritik. Wer den falschen Namen trägt, trägt ihn wie ein Spiegel: Er reflektiert die eigene Blöße. Halbbildung, Entmenschlichung, instrumentelle Vernunft – alles steht schon auf der Visitenkarte, man muss nur lesen können.
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